Maria Schmidt
Geschichte des Sternbildes Schwan
Wer hätte in einer sternklaren Sommernacht nicht schon einmal zum Himmel geschaut und sich über die inmitten der Milchstraße kreuzförmig angeordneten sechs Sterne verwundert. 'Kreuz des Nordens' nennen es die einen. Manche wissen - die Sterne scheinen zu fliegen - es ist das Sternbild 'Schwan'.
Sternbild
Schwan
Aus dem Sternatlas Uranometria von Johann Bayer 1603
Es gibt verschiedene Arten von Schwänen. Bei dem Sternbild ist der Singschwan gemeint.
Der Singschwan brütet hoch im europäischen und asiatischen Norden, um dann die Winter an weiter südlich gelegenen Binnengewässern oder an den deutschen Meeresküsten zu verbringen.
Der Singschwan
In Alteuropa zählten die Singschwäne aufgrund ihrer Schönheit und ihres eigenartigen Gesanges, zuweilen als ihr Sterbegesang gedeutet, zu den heiligen Tieren. Man glaubte, daß die Singschwäne von zwei göttlichen Schwänen abstammten, die an der Wurzel des Weltenbaums Yggdrasil an einem Brunnen leben, dessen Wasser so heilig sind, daß alles, was davon berührt wird, weiß wird, schwanenweiß wie die heiligen Schwäne.
Die Schwäne wurden als Seelenvögel
der Verstorbenen verehrt, auch schrieb man ihnen Wahrsagekunst zu. Als
Schwanenritter oder als Schwanenjungfrauen konnten sie
Menschengestalt annehmen.
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Wenn der Schwan in der griechischen Mythologie eine Rolle spielt, so muß sein Bild als eines in Griechenland ursprünglich nicht heimischen Vogels von Einwanderern importiert worden sein.
Die griechischen Stämme sind in zwei Wanderwellen nach Griechenland gekommen, die erste um 2000 v. Chr., die zweite um 1200 v. Chr. Ihre ursprüngliche Heimat wird im Norden Europas angenommen.
Da wandernde Stämme immer ihre Götter immer mit sich führen, haben auch die Griechen ihre heimischen Götter in die neue Heimat mitgebracht. Einer der wichtigsten Götter war Apollon.
Apollon am Westgiebel des Zeustempels von Olympia
In der Sage um Apollon, dem blondgelockten Gott des Lichtes, der Musik, der Wahrsagekunst und des Todes, wird die Herkunft aus dem Norden ausdrücklich erwähnt: Es heißt, Apollons Mutter Leto sei aus dem Land der sagenumwobenen Hyperboreer nach Griechenland gekommen. Der Wohnsitz der Hyperboreer wird hoch im Norden jenseits des Nordwindes boreas angenommen. Man glaubte die Ufer des Landes vom Weltenstrom okeanos bespült, welcher erfüllt sei von singenden heiligen Schwänen.
Apollon hält der Sage nach durch häufige Besuche weiterhin Verbindung mit seinen Vorfahren, den Hyperboreern.
Sein Begleittier ist der singende Schwan. Sein Wagen wird von heiligen Schwänen gezogen.
Einen ganzen Sagenkranz nun flechten die Griechen um das schöne, heilige Tier, um es schließlich als Himmelsbild unsterblich zu machen:
Kyknos, ein musikliebender Sohn Apollons, König der Ligurer, ist befreundet mit Phaeton, dem Sohn des Sonnengottes Helios. Phaeton hat sich in den Kopf gesetzt, doch auch einmal mit dem Sonnenwagen seines Vaters über den Himmel zu fahren. Nur zögernd gewährt der Vater dem Sohn die Bitte. Hätte er es nicht getan. Phaeton fehlt es an Erfahrung im Wagenlenken, er verliert die Kontrolle über die Sonnenpferde und stürzt mitsamt dem brennenden Wagen in den Fluß Eridanos, um hier eine gewaltige Feuersbrunst zu verursachen. Göttervater Zeus ist darüber so zornig, daß er dem unglücklichen Jüngling noch einen Blitz hinterherschickt, der diesen augenblicklich tötet.
Der todtraurige Kyknos springt darauf in den Fluß, um seinen Freund aus den Fluten zu bergen. Vater Helios schaut ebenso traurig zu und erhebt den treuen Freund schließlich als den heiligen Schwan seines Vaters Apollon an den Sternenhimmel.
Der Eridanos ist ein sagenhafter Fluß, der ebenfalls zum Sternbild wurde. Falls er mit einem irdischen Fluß identisch ist, weist die Sage wieder in den europäischen Norden:
Es wird erzählt, daß die Schwestern Phaetons, die Heliaden, lange am Eridanos weilten, um ihren toten Bruder zu beweinen. Ihre Tränen wurden zu Bernstein und fielen in den Fluß, um fortan auf seinem Grunde zu ruhen.
Bernstein gibt es nur im nördlichen Europa. Es ist nicht ausgeschlossen, daß mit dem Eridanos die Eider gemeint ist.
Eine andere Sage berichtet, Kyknos habe sich aus Verzweiflung über den Verlust des Freundes von einem Felsen stürzen wollen. Er fand aber nicht den Tod, sondern flog als Schwan davon, um fortan als Sternbild am Himmel zu stehen.
Wieder eine andere Sage erzählt, daß Kyknos in einem Pappelwäldchen am Ufer es Flusses Eridanos mit traurigen Liedern seines toten Freundes gedachte, bis die Götter ihn aus Mitleid als Schwan an den Sternenhimmel versetzten. Seit der Zeit werde der Gesang des Schwanes mit Kyknos verbunden und als des Schwanes Sterbegesang bezeichnet.
Etwas fröhlicher geht es in einem anderen Sagenkreis um den Schwan zu:
Der umtriebige Göttervater Zeus hat es auf Leda, die Gemahlin des Königs Tyndareos von Sparta abgesehen. Als diese einmal unbeobachtet, wie sie glaubt, in einem Fluß des peloponnesischen Taygetosgebirges badet, stürmt plötzlich flügelschlagend aus dunklem Gewölk ein gewaltiger Schwan auf sie hernieder, der Göttervater, der es liebt, sich in allerlei Gestalten mit schönen Irdischen zu vereinen. Die Ergebnisse dieses Überfalls sind zwei Kinder, Helena, deren Schönheit später den trojanischen Krieg auslöst, und Pollux, einer der später ebenfalls an den Himmel versetzten göttlichen Zwillinge. Der Zwillingsbruder Kastor stammt vom irdischen Vater ab, was dann zu weiteren Verwicklungen führt.
Leda und der Schwan,
Gemälde von Leonardo da Vinci, 1452 - 1519
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Auch die Babylonier glaubten in der Sternengruppe einen Vogel zu erkennen, Urakhga, einen Vorläufer des aus Tausend und eine Nacht bekannten Riesenvogels Roch.
Die Araber übernahmen das griechische Bild und benannten die einzelnen Sterne dementsprechend:
Sternkarte Schwan
a
Deneb, der Schwanz, b
Albireo. der Schnabel,
g Sadr, das Brustbein,
e
Gienah, der Flügel.
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Um das hoch inmitten der Milchstraße schwebende Bild in Erinnerung zu bringen, wurde es im Jahre 1999 zum Motiv einer Wohlfahrtsmarke gewählt:
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Wenn wir Nachgeborenen nun in einer stillen Sommernacht zum Nachthimmel schauen, mögen wir berührt werden von den heiligen Gesängen des göttlichen Schwans, von der Weisheit des Licht- und Todesgottes Apoll.